Am 14. und 15.2.2019 lud die Landeszentrale für politische Bildung zur Fachtagung „Antisemitismus als Herausforderung für politische Bildung“ nach Mainz ein. Auf dem Programm der Fachtagung standen Vorträge, Podiumsdiskussionen und Workshops mit zahlreichen Experten.
Ein kleiner Abriss der besuchten Veranstaltungen auf der Tagung im Schnelldurchlauf:
Ex-Bundespräsident Christian Wulff stellte in seinem Eröffnungsvortrag als positiv heraus, dass Antisemitismus von immer mehr Menschen als Herausforderung wahrgenommen werde. Wichtig sei in der Bildungsarbeit, Juden nicht ausschließlich als Opfer des Holocausts zu definieren, sondern die Leistungen und Erfolge von Juden stärker in den Fokus zu rücken. Dazu gehöre auch, Begegnungen unterschiedlicher Kulturen zu ermöglichen.
In der anschließenden Podiumsdiskussion betonte Julia Bernstein, Professorin aus Frankfurt, dass Antisemitismus kein Rassismus, sondern ein Weltbild sei, eine Vernichtungsphantasie. In ihren Studien hat sie große Wissensdefizite bei Lehrkräften feststellen können. Gerade mit Bezug auf das Handeln vieler Lehrkräfte merkte sie an, die Kombination aus „Engagiertsein“ und „Keine-Ahnung-Haben“ sei das Schlimmste!
In ihrem Workshop ging Julia Bernstein dann noch näher auf Erkenntnisse ihrer Studie „Mach doch keine Judenaktion. Herausforderungen und Lösungsansätze in der professionelle Bildungs- und Sozialarbeit gegen Antisemitismus“ ein. Es handelt sich um die erste Studie, die die Perspektiven von Jüdinnen und Juden in den Vordergrund stellt, um der Frage nachzugehen, wie sich Antisemitismus an deutschen Schulen ausdrückt. Im Workshop wurde dabei an Beispielen deutlich gemacht, wie antisemitische Darstellungen auf jüdische Schülerinnen und Schüler wirken.
Im Workshop „Antisemitismus und Jugendkultur am Beispiel von Rap und Hip-Hop-Musik“ stellte Jakob Baier von der Universität Gießen Erzählfiguren des Gangsta-Rap dar und arbeitete heraus, welche Bedeutung der Nahostkonflikt im Gangsta-Rap hat. Die angeführten Beispiele machten auch deutlich, dass Rapper wie Kollegah und Farid Bang durch und durch antisemitische Ausdrucks- und Darstellungsformen benutzen.
Steffen Hagemann, Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv, wurde im abschließenden Workshop live aus Israel zugeschaltet. Zusammen mit Michael Sauer erläuterte er einen konkreten Ansatz, wie das Thema Nahostkonflikt im Unterricht differenzierend dargestellt und diskutiert werden kann. Der Wochenschau-Verlag hat die Unterrichtssequenz veröffentlicht.
Im Zusammenhang mit der Fachtagung wurde auch ein Planspiel zum Thema Antisemitismus von der Landeszentrale für politische Bildung durchgeführt. Das neu konzipierte Planspiel wurde am 24.2.2019 erstmals in Mainz erprobt und soll mit Schülerinnen und Schülern ab dem 9. Schuljahr in den Schulen durchgeführt werden. Das Planspiel ermöglicht durch variierende Methoden eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus, wenngleich es doch einiges an Wissen voraussetzt. Deshalb macht es wohl nur Sinn, es im Rahmen einer kompletten Unterrichtssequenz zum Thema Antisemitismus anzubieten.
Die Durchführung einer solchen Fachtagung und die Konzeption eines Planspiels machen deutlich, dass auch die Politik mittlerweile erkannt hat, wie dringlich die Bekämpfung von Antisemitismus ist. Allerdings wird es sich nur um Tropfen auf dem heißen Stein handeln, wenn gesellschaftspolitische Entwicklungen in eine ganz andere Richtung laufen: Was soll man etwa davon halten, dass der Bundespräsident dem iranischen Regime zum 40. Jahrestag der Revolution im Namen seiner Landsleute gratuliert? Einem Regime, das ständig mit der Vernichtung Israels droht, sein Raketenprogramm weiter ausbaut und Menschenrechte mit Füßen tritt (hierzu ein Bericht der ARD-Sendung „kontraste“ )? Wenn Gruppen ausgezeichnet werden, die die Boykottbewegung BDS unterstützen (hierzu ein Artikel aus der taz)? Wenn Karikaturisten Preise bekommen, die offensichtlich antisemitische Karikaturen veröffentlichen (hierzu ein Artikel aus der taz )? Wenn auch den meisten Lehrkräften die Sensibilität und das Wissen fehlt im Umgang mit dem Hass auf Juden (hierzu ein Artikel aus der Welt)?
Dann werden wir auch bald hier französische Zustände haben!